Der Bundestag hat den Gesetzentwurf zur Einführung einer Brückenteilzeit unverändert beschlossen. Das Gesetz kann somit wie beabsichtigt im Januar 2019 in Kraft treten.
Am Ende doch überraschend angesichts der erheblichen Kritik am Regierungsentwurf hat der Bundestag in seiner Plenarsitzung am 18. Oktober 2018 den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 19. August 2018 zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit mit den Stimmen der SPD und CDU/CSU-Fraktionen unverändert angenommen. Der Gesetzentwurf beinhaltet im Wesentlichen die folgenden Regelungen (wir berichteten bereits am 24. Mai und 22. Juni 2018):
- Einführung eines Rechts auf befristete Teilzeit (Brückenteilzeit) (§ 9a TzBfG*)
- Beweislastverlagerung beim Anspruch unbefristet Teilzeitbeschäftigter auf Verlängerung der Arbeitszeit (§ 9 TzBfG)
- Anpassungen bei der Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG)
Erhebliche Kritik bei Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales
Zuvor hatte es in der öffentlichen Anhörung von Verbändevertretern und juristischen Sachverständigen erhebliche Kritik an dem Regierungsentwurf gegeben.
Zum Anspruch auf Brückenteilzeit bemängeln Arbeitgeberverbände, dass es kaum möglich sei, für geringe Arbeitszeitvolumina, die durch die Inanspruchnahme der Brückenteilzeit entstünden, geeignete befristete Teilzeitkräfte als Ersatzkräfte zu finden. Erst recht sei dies kaum möglich in der kurzen Ankündigungsfrist von nur drei Monaten. Es bedürfe hier zumindest einer Verdoppelung der Ankündigungsfrist. Kritisiert wird auch, dass der Anspruch auf Brückenteilzeit ohne das Vorliegen von Sachgründen zulässig sei. Bisher sei für eine Reduzierung des Arbeitszeitvolumens das Vorliegen eines gesamtgesellschaftlich wertvollen Motivs nötig gewesen: Z.B. Erziehung bei der Elternzeit, § 15 BEEG und Pflege von nahen Angehörigen, § 2 FamPfZG. Im Übrigen müsse zur Berechnung des Schwellenwerts (mehr als 45 Arbeitnehmer) auf die einzelne Betriebsstätte (Filiale) abgestellt werden.
Im Hinblick auf den Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG (bevorzugte Berücksichtigung von Teilzeitarbeitnehmern bei der Besetzung neuer Stellen) wird kritisiert, dass es bei Arbeitszeitwünschen mehrerer Teilzeitbeschäftigter zu einer Situation kommen könne, in der der abgelehnte Teilzeitbeschäftigte die Entscheidung nach billigem Ermessen beim Arbeitsgericht angreift. Obsiegt der abgelehnte Teilzeitbeschäftigte, kann das Gericht den Arbeitgeber verurteilen, beide gemäß der beantragten Arbeitszeitregelung zu beschäftigten. Hier müsse der Rechtsgedanke des § 15 AGG in das Gesetz mit aufgenommen werden, der einen Schadensersatzanspruch für den rechtswidrig abgewiesenen Teilzeitbeschäftigten vorsieht. Der mit seinem Antrag unterlegene AN könne sodann nicht auf Erfüllung klagen.
Diese Kritik wurde am Ende nicht gehört. Das Gesetz wird letztlich so kommen, wie es bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs auf Brückenteilzeit
Die Voraussetzungen des neuen Brückenteilzeitanspruchs sind Folgende (§ 9a TzBfG):
- Das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate.
- Die Brückenteilzeit kann nur für mindestens ein oder höchstens fünf Jahre genommen werden.
- Der Anspruch besteht nur gegen Arbeitgeber mit mehr als 45 Arbeitnehmern.
- Zumutbarkeitsgrenze: Arbeitgeber mit 46-200 Arbeitnehmern können den Antrag ablehnen, wenn bereits einer pro angefangene 15 Mitarbeiter sich in Brückenteilzeit befindet.
- Es bestehen keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe.
- Das Ende der letzten Brückenteilzeit ist mindestens ein Jahr her.
- Die letzte berechtigte Ablehnung des Arbeitgebers aufgrund entgegenstehender betrieblicher Gründe ist mindestens zwei Jahre her.
- Die letzte berechtigte Ablehnung des Arbeitgebers aufgrund der Zumutbarkeitsregelung ist mindestens ein Jahr her.
- Der Antrag muss drei Monate vor Beginn der geplanten Brückenteilzeit gestellt werden.
Während der Dauer der Brückenteilzeit kann der Arbeitnehmer weder eine weitere Verringerung noch eine Verlängerung seiner Arbeitszeit verlangen (§ 9a Abs. 4 TzBfG).
Änderungen beim Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit
Hat ein unbefristet teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (§ 8 TzBfG) beim Arbeitgeber seinen Wunsch auf Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt, hat ihn der Arbeitgeber bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn,
- es liegt kein entsprechender freier Arbeitsplatz vor,
- der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ist nicht mindestens gleich geeignet wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter Bewerber,
- Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer oder
- dringende betriebliche Gründe stehen entgegen.
Ein freier zu besetzender Arbeitsplatz liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen. Der Arbeitgeber hat somit nicht die Pflicht, auf den Antrag des Arbeitnehmers einen Arbeitsplatz zu schaffen.
Die Ablehnungsgründe muss zukünftig der Arbeitgeber anders als bisher darlegen und beweisen.
Änderungen bei der Arbeit auf Abruf
Um die Planungs- und Einkommenssicherheit von Arbeitnehmern bei der Abrufarbeit (§ 12 TzBfG) zu erhöhen, werden Arbeitgeber künftig nur noch begrenzt von der vereinbarten Arbeitszeit abweichen können. So sollen bei einer vereinbarten Mindestarbeitszeit nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abgerufen werden können. Bei einer vereinbarten Höchstarbeitszeit dürfte der Arbeitgeber nur höchstens 20 Prozent weniger abrufen. Sind zum Beispiel 30 Stunden pro Woche arbeitsvertraglich vereinbart, bestünde für den Arbeitgeber also ein Potential von 24 bis 37,5 Stunden pro Woche. Die Neuregelung enthält jedoch inhaltlich keine Neuerung, da das BAG bereits im Jahr 2005 entsprechend zu beachtende Grundsätze entwickelt hatte.
Ist im Arbeitsvertrag keine Arbeitszeit bestimmt, wird künftig eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden – bisher 10 – als vereinbart gelten. Bestehende Abrufarbeitsverhältnisse sollten deshalb auf den Prüfstand gestellt werden. Bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverträge keine Arbeitszeit enthalten, besteht sonst die Gefahr, dass sie ohne Arbeitsleistung für 20 Wochenstunden vergütet werden müssen.
Weiterer Gang des Gesetzgebungsverfahrens
Der Gesetzentwurf muss nun noch einmal zum Bundesrat. Es bestehen allerdings keine Anhaltspunkte, dass der Bundesrat Einspruch gegen das Gesetz erhebt, da er auch bereits im ersten Durchgang keine Einwendungen gegen den Entwurf erhoben hat. Danach folgt die Gegenzeichnung des Bundespräsidenten und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Das Gesetz soll sodann zum 1. Januar 2019 in Kraft treten.
Den am 18. Oktober 2018 im Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf können Sie hier downloaden.
*Verlinkung zu aktuellen §§ aktualisiert sich mit in Kraft treten des Gesetzes