Hitzefrei im Büro gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen. Der Arbeitgeber ist vorrangig zu Maßnahmen verpflichtet, um die Lufttemperatur zu senken.
Diese Woche soll der Hochsommer nach Deutschland kommen – und mit ihm Temperaturen jenseits der 30°C. Wenn es draußen heiß ist, steigen meist auch in Büro- und Arbeitsräumen die Temperaturen an. Sind diese zu hoch, leidet nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch Konzentrations- und Leistungsfähigkeit.
Wir nehmen die angekündigte Hitzewelle zum Anlass, nach deren arbeitsrechtlichen Auswirkungen zu fragen: Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Hitzefrei und was muss der Arbeitgeber tun, wenn es nicht nur draußen, sondern auch drinnen zu heiß wird?
Maßgebliche Vorschriften für ein eventuelles Hitzefrei im Büro
Hier lohnt sich ein Blick in die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG).
Nach § 3a ArbStättV hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass er die Arbeitsstätte so einrichtet und betreibt, dass von ihr keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Dabei hat er den Stand der Technik und insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.
Was die Raumtemperatur betrifft, werden diese Vorgaben für ein mögliches Hitzefrei im Büro durch die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.5″ weiter konkretisiert. Darin sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
- Die sog. 26°C-Regel besagt, dass grundsätzlich eine Lufttemperatur von 26°C am Arbeitsplatz nicht überschritten werden soll. Kommt es dennoch zu einer Überschreitung, soll der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um die Raumtemperatur zu senken und die Beanspruchung der Arbeitnehmer zu reduzieren. Hierzu zählen beispielsweise eine effektive Steuerung des Sonnenschutzes (z.B. Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen halten), effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z.B. Nachtauskühlung), Reduzierung der inneren thermischen Lasten (z.B. elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben), Lüftung in den frühen Morgenstunden, Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitszeitverlagerung, Lockerung der Bekleidungsregelungen sowie die Bereitstellung von Getränken.
Zu beachten ist, dass insbesondere für Arbeitnehmer, die schwere körperliche Arbeit verrichten, gesundheitlich vorbelastet oder besonders schutzbedürftig sind (z.B. Jugendliche, Ältere, Schwangere, stillende Mütter), bei Temperaturen über 26°C Gesundheitsgefahren entstehen können. Bei diesen Arbeitnehmergruppen ist Arbeitgebern zu besonderer Wachsamkeit zu raten. Hier sind ggfs. weitergehende Maßnahmen zu prüfen.
- Wird eine Temperatur am Arbeitsplatz von 30°C überschritten, muss der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um die Beanspruchung der Arbeitnehmer zu reduzieren. Hierbei handelt es sich – anders als bei den o.g. bloßen „Soll-Vorschriften″ – um zwingende Vorgaben für den Arbeitgeber. Hitzefrei im Büro gibt es allerdings auch jetzt noch nicht. Technische und organisatorische Maßnahmen sind den personenbezogenen Maßnahmen vorzuziehen. Das heißt, die Lufttemperatur soll vorrangig durch Kühlung mit Ventilatoren/Klimageräten oder Jalousien gesenkt werden, bevor beispielsweise über die Gleitzeitnutzung oder Lockerung von Bekleidungsregeln nachgedacht wird.
- Erst ab einer Lufttemperatur von 35°C ist ein Raum für die Zeit der Überschreitung ohne technische Maßnahmen (z.B. Luftduschen oder Wasserschleier), organisatorische Maßnahmen (z.B. Entwärmungsphasen) oder persönliche Schutzausrüstung (z.B. Hitzeschutzbekleidung) nicht mehr als Arbeitsraum geeignet.
Arbeitnehmer darf sich in der Regel nicht selbst Hitzefrei im Büro nehmen
Die Regelungen für den Arbeitgeber geben noch kein generelles Recht des Arbeitnehmers auf Hitzefrei im Büro. Hält der Arbeitgeber die o.g. Vorschriften nicht ein, kann der Arbeitnehmer nur in äußersten Ausnahmefällen eigenmächtig den Arbeitsplatz verlassen. § 9 ArbSchG nimmt ein Entfernungsrecht nur dann an, wenn unmittelbare erhebliche Gefahren zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers führen würden. Ein Entfernungsrecht besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer irrtümlich an eine Gefahr glaubt. Allerdings wird ein Entfernungsrecht nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen sein.
Ähnlich verhält es sich mit einem Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die Arbeitsleistung nach § 273 BGB. Ein Arbeitnehmer kann die Leistung grundsätzlich verweigern, wenn der Arbeitgeber seinen Pflichten aus § 618 I BGB i.V.m. den öffentlich rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften nicht nachkommt. Eine Gesundheitsgefährdung ist in diesem Fall nicht erforderlich. Allerdings darf es sich nicht nur um kurzfristige Verstöße des Arbeitgebers handeln. Andernfalls ist ein Fernbleiben des Arbeitnehmers als treuwidrig nach § 242 BGB einzustufen. Ein Leistungsverweigerungsrecht wird damit nur selten vorliegen, insbesondere weil hierzulande erhebliche Temperaturüberschreitungen – sofern sie denn überhaupt eintreten – in der Regel nur von kurzer Dauer sind.
Sanktionen für den Arbeitgeber
Verstöße des Arbeitgebers gegen die Vorgaben der ASR A3.5 i.V.m. § 3a I 1 ArbStättV stellen eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. § 9 I Nr. 2 ArbStättV i.V.m. § 25 ArbSchG). Diese kann mit einer Geldbuße von bis zu EUR 5.000,00 sanktioniert werden.
Gefährdet der Arbeitgeber dagegen sogar vorsätzlich das Leben oder die Gesundheit der Arbeitnehmer, ist dies gemäß § 26 Nr. 2 ArbSchG strafbar und kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden.
Beteiligung des Betriebsrates notwendig
Maßnahmen nach § 6 ArbStättV, welche die Arbeitsräume betreffen, unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 7 BetrVG. Beabsichtigt der Arbeitgeber aufgrund von hohen Temperaturen die Arbeitszeit zu verlegen oder Kurzarbeit einzuführen, so sind auch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG zu beachten.
Fazit und Hinweise für die Praxis: Hitzefrei im Büro nur in Ausnahmefällen
Ein generelles Recht auf Hitzefrei im Büro existiert für Arbeitnehmer nicht. Nur als ultima ratio kommt eine solche Maßnahme in Betracht, wenn es keine milderen Mittel gibt, um die Gesundheit des Arbeitnehmers im Einzelfall vor konkreten Gefahren zu schützen. Gleiches gilt bei der Verletzung von Schutzvorschriften für besondere Personengruppen.
Arbeitgeber sollten sich an die vorgeschlagenen Maßnahmen in der ASR A3.5 zur Raumtemperatur von Arbeitsräumen orientieren und bei außergewöhnlich hohen Temperaturen regelmäßig eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen. Dies dient vornehmlich dem Schutz der Arbeitnehmer und ist gleichzeitig im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers, da hierdurch die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer erhalten bleibt.
Ergreifen Arbeitgeber Maßnahmen nach § 6 ArbStättV sowie hinsichtlich der Arbeitszeit, um die Beanspruchung der Arbeitnehmer zu reduzieren, müssen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 2, 3, 7 BetrVG beachtet werden.