Jahresurlaubsanspruch: EuGh hält Quotierung erworbener Jahresurlaubsansprüche beim Übergang von Voll- zu Teilzeitbeschäftigung für europarechtswidrig.
Das Urlaubsrecht unterliegt ständigem Wandel. Verantwortlich ist häufig der EuGH, der althergebrachte Grundsätze über den Haufen wirft und in allen Lagern des Arbeitsrechts für Staunen sorgt.
Die Entscheidung vom 13. Juni 2013 (EuGH, Beschl. v. 13.06.2013 – C-415/12) verdeutlicht dies sehr anschaulich am Beispiel der Urlaubshöhe bei Wechsel von Voll- zu Teilzeitbeschäftigung.
Alte Rechtsprechung: Reduzierung der Urlaubstage
Zu entscheiden war der Fall einer Arbeitnehmerin, die zunächst in Vollzeit in einer 5-Tages-Woche beschäftigt war. Wegen Mutterschutz und anschließender Elternzeit konnte sie in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 29 der ihr zustehenden Urlaubstage nicht nehmen. Nach dem Ende der Elternzeit – ab dem 22. Dezember 2011 – arbeitete die Mitarbeiterin nur noch an 3 Wochentagen.
Es kam zum Streit über die Resturlaubshöhe, weil der Arbeitgeber – der bisherigen Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 28.04.1998 – 9 AZR 314/97) folgend – die in der Phase der Vollzeitbeschäftigung erworbenen 29 Urlaubstage der reduzierten Arbeitszeit anpasste und auf 17 Tage reduzierte (29 : 5 x 3 = 17,4).
Neue Rechtsprechung: bereits erworbener Urlaubsanspruch dürfe nicht verloren gehen
Der EuGH hält diese Quotierung erworbener Jahresurlaubsansprüche beim Übergang von Voll- zu Teilzeitbeschäftigung für europarechtswidrig. Durch einen solchen Wechsel dürfe einem Arbeitnehmer ein bereits erworbener Jahresurlaubsanspruch nicht verloren gehen.
Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub (Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG) sei schließlich ein „besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union″. Insofern attestierte der EuGH der Arbeitnehmerin weiterhin 29 Resturlaubstage.
Konsequenzen: Jahresurlaubsanspruch von über 20 Wochen?!
Dieser Rechtsprechungswandel kann – abhängig vom Ausmaß der Arbeitszeitreduzierung – massive Auswirkungen auf betriebliche Abläufe haben: Bei einem Wechsel von einer 5-Tage-Woche auf eine 2-Tage-Woche bedeutet ein 29-tägiger Resturlaubsanspruch, dass der Mitarbeiter fast 15 Wochen im Unternehmen fehlt.
Rechnet man noch den Jahresurlaub des laufenden Jahres hinzu, ist man – ausgehend von einem Jahresurlaubsanspruch von 6 Wochen – bei einer Fehlzeit von über 20 Wochen. Ob der Erholungsgedanke des Urlaubsrechts derartige Fehlzeiten erfordert und einen solchen Jahresurlaubsanspruch rechtfertigt, darf bezweifelt werden.