Selbst wenn ein Zeitarbeitnehmer bei dem Kunden nicht nur vorübergehend eingesetzt wird, führt dies nicht zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses mit diesem. Das hat das BAG heute entschieden und damit der von zahlreichen Landesarbeitsgerichten vertretenen abweichenden Ansicht eine Absage erteilt.
§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG sieht vor, dass eine Arbeitnehmerüberlassung „vorübergehend“ zu erfolgen hat. Bekanntermaßen war bislang unklar, wann der Einsatz eines Zeitarbeitnehmers dieser Anforderung noch genügt und wann dieser in eine dauerhafte Überlassung umschlägt. Auch die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG waren bislang nicht geklärt. Die Instanzgerichte haben in diesem Zusammenhang höchst unterschiedlich entschieden und im Ergebnis alles vertreten (zuletzt: LAG Hamburg vom 29. August 2013 – 1 TaBV 3/13, das davon ausgeht, dass der Einsatz auf einem Dauerarbeitsplatz beim Kundenunternehmen unzulässig sein soll).
Das BAG hat mit seinem Beschluss vom 10. Juli 2013 nur bedingt für Klarheit gesorgt (Az. 7 ABR 91/11): letztlich wurde „nur“ festgestellt, dass der Betriebsrat des Kundenbetriebs einer nicht mehr vorübergehenden Beschäftigung eines Zeitarbeitnehmers widersprechen kann; offen blieben aber die Anforderungen an einen noch vorübergehenden Einsatz und die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG.
Zumindest eine der noch offenen Fragen hat das BAG am 10. Dezember 2013 nunmehr geklärt (Az. 9 AZR 51/13). Der 9. Senat hat nämlich entschieden, dass im vorliegenden Fall kein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen sei; das Urteil des LAG Baden-Württemberg sei insoweit aufzuheben. Falls kein Arbeitseinsatz des klagenden Zeitarbeitnehmers nach dem 30. November 2011 erfolgt sei, komme es auf einen nur vorübergehenden Einsatz und die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht an. Bis zum 30. November 2011 sei nämlich eine zeitlich unbeschränkte Überlassung zulässig gewesen. Erst mit Wirkung zum 1. Dezember 2011 sei Merkmal „vorübergehend“ in das AÜG eingefügt worden.
Falls doch noch ein Einsatz nach dem 30. November 2011 erfolgt sei (dies habe nicht der Zeitarbeitnehmer, sondern eines der beklagten Unternehmen behauptet), führe auch der nicht mehr vorübergehende Einsatz nicht zu einem Arbeitsverhältnis mit dem Kundenunternehmen, wenn der Personaldienstleister – wie vorliegend – über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfüge. § 10 Abs. 1 AÜG sehe die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses lediglich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vor.
Eine Analogie komme nicht in Betracht, da es an einer Regelungslücke fehle; der Gesetzgeber habe bewusst keine entsprechende Rechtfolge im AÜG angeordnet. Das Unionsrecht gebe insoweit kein anderes Ergebnis vor. In der Zeitarbeitsrichtlinie sei keine bestimmte Sanktion vorgesehen. Deren Festlegung obliege dem Mitgliedsstaat, nicht den Arbeitsgerichten. Die vollständig abgesetzten Gründen sind laut Ankündigung des Vorsitzenden des 9. Senats für Januar/Februar 2014 erwarten.
Für die Zeitarbeitsbranche ist damit Rechtssicherheit geschaffen worden. Die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Kundenunternehmen kommt als Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht in Betracht; man weiß jetzt, was auf einen zukommt. Letztlich hat der unsägliche bisherige Zustand des Lotteriespiels vor den Landesarbeitsgerichten damit endlich ein Ende!
Bedauerlicherweise hat sich das BAG mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mit der konkreten Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ befassen müssen. Eingedenk der im Koalitionsvertrag angekündigten gesetzlich einzufügenden Höchstüberlassungsdauer, dürfte diese Rechtsfrage zumindest für die Zukunft an Brisanz verlieren.