Das ArbG Mannheim hat die auf ein tabuüberschreitendes und menschenverachtendes Facebook-Posting folgende Kündigung für unwirksam erklärt.
Mit seinem Urteil vom 19.02.2016 (Az. 6 Ca 190/15) hat das ArbG Mannheim für Aufsehen gesorgt. Es hat die arbeitgeberseitige Kündigung eines Arbeitnehmers, der auf seinem Facebook-Profil ein Bild des Konzentrationslagers Auschwitz postete und dies mit den Worten „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“ versah, als unwirksam erachtet.
„Menschenverachtende“ und „tabuüberschreitende“ Äußerung im Internet
Nach der Pressemitteilung des ArbG Mannheim hat dieses der Kündigungsschutzklage des 37-jährigen Arbeitnehmers statt gegeben. Sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung seien unwirksam. Zwar sah das Gericht in dem Verhalten des Klägers eine Pflichtverletzung und betonte, dass die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung des Eingangstors des Konzentrationslagers in Auschwitz oder des Satzes „Arbeit macht frei“ in Deutschland „tabuüberschreitend“ sei und in Verbindung mit einer Anspielung auf Flüchtlinge „menschenverachtend“ anmute. Auch war für das Gericht nicht erkennbar, dass es sich dabei – wie vom Kläger behauptet – um „Satire“ handeln sollte. Nach Ansicht der Kammer war der Post auf Facebook daher auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt und außerdem geeignet, sich zu Lasten des Arbeitgebers „ruf- und geschäftsschädigend“ auszuwirken.
Kündigung dennoch unverhältnismäßig und daher unwirksam
Dennoch sei die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unverhältnismäßig, da die Interessenabwägung, d.h. die Frage danach, ob das Trennungsinteresse des Arbeitsgebers das arbeitnehmerseitige Bestandsinteresse überwiegt, zu Gunsten des Mitarbeiters ausfalle. Hierfür spreche, dass dieser seit 14 Jahren bei der Arbeitgeberin beschäftigt und das Arbeitsverhältnis bis zum streitrelevanten Post ungestört verlaufen sei. Zudem habe sich der Mann bei seiner Arbeitgeberin entschuldigt und das Foto von seinem Facebook-Profil gelöscht. Nach der bislang lediglich vorliegenden Pressemitteilung machte das Gericht deutlich, dass es davon ausgeht, dass der Kläger sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht habe, was er mit der Veröffentlichung auf seiner Facebook-Seite auslösen könne.
Social Media als Anlass für kündigungsrechtliche Streitigkeiten
Erst vor wenigen Monaten hatte das sog. „YouTube“-Urteil des BAG für Aufsehen gesorgt. Mit diesem wurde entschieden, dass die Kündigung eines Bewerbers für den Wahlvorstand der anstehenden Betriebsratswahlen, der sich in einem von dem YouTube-Channel „Streik.TV″ – einem PR-Kanal der Gewerkschaft ver.di – produzierten Video negativ über seinen im produzierenden Gewerbe tätigen Arbeitgeber geäußert hatte, unwirksam war. In dem Video, das der Mitarbeiter zusätzlich auch über seine private Facebook-Seite verbreitet hatte, prangerte er objektiv und erwiesen nicht vorliegende „Probleme″ im Betrieb an. Dennoch befand das BAG die Kündigung als unwirksam. Den besonderen Gefahren, die sich bei der Verbreitung derartiger Äußerungen über das Internet stellen, d.h. insbesondere der nicht kontrollierbare Adressatenkreis, die schnelle Verbreitung, und fehlende Möglichkeiten einer dauerhaften Löschung von Beiträgen („das Internet vergisst nicht“) hatte das BAG in seinem Urteil keine Rechnung getragen. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern das ArbG Mannheim in seiner Urteilsbegründung auf diese Aspekte eingehen wird. In Österreich haben unterschiedliche Formen von Hasspostings gegen Flüchtlinge bei Facebook zuletzt zu wirksamen Kündigungen geführt.
Arbeitgebers sollten Regelungen für den Umgang mit dem Web 2.0 treffen
Unternehmen sollten sich frühzeitig mit der Nutzung von Social Media auseinandersetzen und sich entsprechend beraten lassen. Insbesondere durch sog. Social Media-Guidelines kann der Arbeitgeber präventiv (auch) auf das außerdienstliche Verhalten der Mitarbeiter einwirken und diesen verdeutlichen, dass nach Feierabend nachwirkende Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu beachten sind (vgl. hierzu: Lützeler/Bissels, ArbR 2011, 499 ff.). Die Implementierung von Guidelines zur Nutzung der „neuen“ Medien ist in Anbetracht deren stetig zunehmender Bedeutung und daran anknüpfender Konflikte und Rechtsstreitigkeiten unerlässlich. Diesen Bereich ungeregelt zu lassen, kann – wie das aktuelle Urteil des ArbG Mannheim zeigt – ein Versäumnis darstellen, da sich dem Arbeitgeber über entsprechende Guidelines zahlreiche (Gestaltungs-)Möglichkeiten bieten, um einer missbräuchlichen, das Unternehmen belastenden Nutzung von Social-Media-Kanälen wie YouTube und Facebook entgegenzuwirken. Der Arbeitgeber sollte nicht zuwarten, bis „das Kind in den Brunnen gefallen ist″, und er letztlich arbeitsrechtlich „eingreifen″ muss, z.B. durch eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung. Ggf. hätte insbesondere eine wohl formulierte Social Media-Policy den letztlich vom ArbG Mannheim durch Urteil entschiedenen Konflikt und die sich nun ggf. anschließenden fortwährenden Auseinandersetzungen in der Berufungs- und Revisionsinstanz verhindern können.
Urteil nicht rechtskräftig
Wie genau das Gericht seine Entscheidung begründet, wird man erst den schriftlichen Gründen, die derzeit noch nicht vorliegen, entnehmen können. Zudem bleibt abzuwarten, ob die Arbeitgeberin Berufung gegen das Urteil einlegen wird. Grundsätzlich ist sie nun verpflichtet, den Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Presseberichten zufolge wollte sich ein Sprecher des Unternehmens am Freitag noch nicht dazu äußern, ob man dieser Verpflichtung nachkomme oder den Mitarbeiter von der Arbeitsleistung freistelle und das Risiko des Annahmeverzugslohns in Kauf nehmen werde.