15. Februar 2016
Amazon Lumberyard, Amazon Zombie
Kanzleialltag

Amazon Lumberyard: AWS Vertragsklausel für Zombie-Invasion

Amazon Lumberyard: Die Nutzungsbedingungen des AWS enthalten eine Klausel für eine Zombie-Invasion. Erfahren Sie hier mehr darüber.

Die erste E-Mail am heutigen Morgen enthielt die Bitte eines US-amerikanischen Mandanten, die von mir vor einigen Monaten entworfenen Bedingungen für die Nutzung einer Cloud-Lösung zu überarbeiten. Er habe, teilte mir der Mandant mit, folgende neue Regelung in Abschnitt 57.10 der Nutzungsbedingungen des Amazon Web Service gefunden, deren zweite Hälfte er für seine Nutzungsbedingungen ebenfalls dringend benötige:

„Acceptable Use; Safety-Critical Systems. Your use of the Lumberyard Materials must comply with the AWS Acceptable Use Policy. The Lumberyard Materials are not intended for use with life-critical or safety-critical systems, such as use in operation of medical equipment, automated transportation systems, autonomous vehicles, aircraft or air traffic control, nuclear facilities, manned spacecraft, or military use in connection with live combat. However, this restriction will not apply in the event of the occurrence (certified by the United States Centers for Disease Control or successor body) of a widespread viral infection transmitted via bites or contact with bodily fluids that causes human corpses to reanimate and seek to consume living human flesh, blood, brain or nerve tissue and is likely to result in the fall of organized civilization.

Als beflissener Dienstleister prüfte ich sofort, ob man dem Mandanten die Übernahme der Klausel tatsächlich empfehlen könne… schließlich sind wir hier in Deutschland! Da sollte man doch eher auf das Robert-Koch-Institut und nicht auf US-amerikanische Behörden verweisen.

Schnell verwarf ich den Gedanken jedoch: „fall of organized civilization″ klang global. Also vielleicht doch eher einen Verweis auf die Vereinten Nationen aufnehmen?

Zwischenzeitlich war ich am Ende der E-Mail angelangt, der Kaffee kochte und ich las, dass sich mein Mandant lediglich einen Scherz erlaubt hatte. Eine Vorsorge für den Fall einer Zombie-Invasion hielt er – anders als Amazon – für nicht erforderlich. Nun gut, nicht meine Entscheidung!

Im Geiste verbuchte ich meine hochkomplexen Überlegungen unter „nicht mehr so früh mit dem Arbeiten beginnen″ und räumte auch die zwischenzeitlich hervorgeholte juristische Literatur zur Seite:

„Die Scherzerklärung″ – manchmal lustig, immer unwirksam

§ 118 BGB, der jedem Juristen aus dem Studium und nur den wenigsten aus der Praxis bekannt sein dürfte, musste ich nicht näher prüfen. Hiernach ist eine „nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt, unwirksam″. Juristen reden in diesem Zusammenhang auch von einem „guten Scherz″. Dabei spielt es keine Rolle, ob der „gute″ Scherz auch ein „lustiger″ Scherz ist. Auch eine nicht lustige aber gute Scherzerklärung ist unwirksam.

Ein wenig bedauernd war ich bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass die „Zombie-Klausel″ in den AWS Nutzungsbedingungen nach dieser Vorschrift wahrscheinlich unwirksam war.

„Acts of God″ – klingt nach einem Scherz, ist aber keiner

Ganz so einfach sollte man es sich als deutscher Jurist jedoch nicht immer machen, wenn man mit englischsprachigen Verträgen befasst ist. Wer in einem Vertrag von „Acts of God″ liest, sollte selbst als Atheist die Regelung nicht für unwirksam halten oder lediglich einen kirchenrechtlichen Anwendungsbereich vermuten.

Die einschlägigen Wörterbücher belehren darüber, dass Acts of God „außergewöhnliche Naturereignisse seien (wie Überflutungen und Erdbeben), die vernünftigerweise nicht vorhergesehen oder verhindert werden können″. Anschließend erfolgen inhaltliche Abgrenzungen zum weitergehenden Begriff der „Force Majeure″. Letztlich handelt es sich bei Acts of God um einen Unterfall der „Höheren Gewalt″ und keinesfalls um ein scherzhaftes Ereignis.

Poetische Juristen – auch die gereimte Mahnung ist wirksam

Aber auch bei der juristischen Bewertung von Sachverhalten, die keinen Bezug zur englischen Sprache aufweisen, kann man ins Grübeln geraten, ob eine Erklärung ernst gemeint ist: Das Landgericht Frankfurt am Main hatte zu entscheiden, ob ein Gläubiger wirksam wegen offener Forderungen gemahnt hatte. Der säumige Schuldner bestritt dies, da der Gläubiger die Mahnung nicht in trockenem Juristendeutsch erklärte, sondern in Reimen. Nach Auffassung des Gerichts bestand an der Ernstlichkeit der Mahnung gleichwohl kein Zweifel. Der säumige Schuldner wurde verurteilt.

Nur am Rande sei angemerkt, dass das Landgericht Frankfurt am Main sein Urteil ebenfalls in Reimen abfasste (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.02.1982, Az. 2/22 O 495/81, NJW 1982, 650 f.).

„Beerware″ & Co. – Prost!

Verträge sind prädestiniert dafür, dass der unbefangene Leser sich fragt, ob diese oder jene Bestimmung tatsächlich ernst gemeint ist. Nicht nur Entwickler, sondern auch Juristen sind allerdings zunächst entspannt, wenn sie die Nutzungsrechtsbedingungen einer Software zu beurteilen haben, die unter der sogenannten „Beerware License″ zur Verfügung gestellt wird; die Lizenzbedingungen lauten:

„As long as you retain this notice you can do whatever you want with this stuff. If we meet some day, and you think this stuff is worth it, you can buy me a beer in return.″

Die Einräumung von Nutzungsrechten dürfte ernst gemeint sein, der Vorschlag, eine Einladung auf ein Bier auszusprechen, ist rechtlich derart unverbindlich, dass sich eine nähere (juristische) Prüfung erübrigt.

Ganz ohne Wasser im Wein (oder im Bier) geht es auch hier nicht. Sollte das Beispiel einer „Beerware License″ unter Juristen Schule machen, steht zu erwarten, dass es nach entsprechenden Einladungen viel mehr unfreiwillige Komik in Verträgen, Schriftsätzen und Urteilen geben wird als es ohnehin bereits der Fall ist. Mit Zombie-Invasionen haben derartige Fehlleistungen jedoch nichts zu tun.

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