Wir zeigen auf, welche weitreichenden Folgen der Referentenentwurf zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung im § 439 BGB vorsieht.
Ein Vertragspartner schuldet einem anderen Vertragspartner nur dann Schadensersatz, wenn der Schaden durch eine schuldhafte Pflichtverletzung verursacht wurde. Dies ist einer der wichtigsten Grundsätze des deutschen Rechts. An diesem Grundsatz wird durch den Referentenentwurf und die beabsichtigte Änderung des § 439 BGB gerüttelt. Hersteller und Händler von Produkten, die als Teile in andere Produkte eingebaut werden, könnte zukünftig daher ein erhebliches Kostenrisiko treffen, welches bislang weder durch eine Versicherung noch durch den Produktpreis abgesichert war.
Der § 439 BGB vor dem Referentenentwurf
Nach dem Urteil des EuGH vom 16. Juni 2011 (C 65/09 und C 87/09) führte die richtlinienkonforme Auslegung von § 439 BGB dazu, dass ein Verkäufer im Rahmen eines B2C-Geschäfts dem Verbraucher die notwendigen Ein- und Ausbaukosten im Rahmen seiner Nacherfüllungspflicht verschuldensunabhängig zu ersetzen hatte, wenn die Sache vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gemäß der Art und dem Verwendungszweck der Sache verbaut wurde.
Nach Erlass dieses Urteils kam die Diskussion auf, ob diese Rechtsprechung auch auf B2B-Verträge übertragen werden müsse. Dies beendete der BGH mit Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11 (bestätigt mit Urteil vom 16.04.2013 – VIII ZR 375/11 und Urteil vom 02.04.2014 – VIII ZR46/13) und stellte klar, dass Ein- und Ausbaukosten im unternehmerischen Geschäftsverkehr nur im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs und damit nur im Falle einer vom Verkäufer zu vertretenden Pflichtverletzung geltend gemacht werden können.
Das Verschulden eines Vorlieferanten kann dem Verkäufer in der Regel nicht über § 278 BGB zugerechnet werden. Hatte der unternehmerische Letztkäufer die mangelhafte Sache aufgrund eines Werkvertrags bei seinem Kunden eingebaut, führte dies dazu, dass er aufgrund seiner werkvertraglichen Pflichten die Ein- und Ausbaukosten tragen musste, insoweit aber keinen Regress bei seinem Vorlieferanten nehmen konnte.
Referentenentwurf soll Haftungsfragen klären und Regress ermöglichen
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sieht in der nur verschuldensabhängigen Regressmöglichkeit für Aus- und Wiedereinbaukostenoffensichtlich eine Lücke, die es zu schließen gilt, und hat einen Referentenentwurf für den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung″ vorgelegt. Der Referentenentwurf enthält weitreichende Änderungen der Vorschriften zur Haftung für Mängel im Rahmen von Kaufverträgen.
So enthält der Referentenentwurf die Regelung, dass ein Verkäufer grundsätzlich (auch im unternehmerischen Verkehr) im Rahmen der Nacherfüllung den Ausbau der mangelhaften Sache und Einbau der mangelfreien Sache vorzunehmen oder dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen hat. Der Referentenentwurf kodifiziert die richtlinienkonforme Auslegung des EuGH von § 439 BGB auch für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 439 Abs. 3 BGB-E).
Zugleich soll ein Verkäufer, der beim Verkauf einer neu hergestellten Sache entsprechende Aufwendungen zu tragen hatte, insoweit Regress bei seinem Vorlieferanten nehmen können (§ 445a BGB-E), was einer Ausweitung des Lieferantenregresses im Verbrauchsgüterkauf nach § 478 BGB auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr darstellt.
Verschuldensunabhängige Haftung für Aus- und Einbaukosten
Es liegt auf der Hand, dass eine entsprechende Umsetzung weitreichende Folgen für produzierende Unternehmen und den Handel haben würde. Obwohl das BMJV nach den Ausführungen unter „B. Lösung″ die Rechtssituation von Werkunternehmern, die mangelhaftes Baumaterial gekauft und im Rahmen eines Werkvertrags verbaut haben, verbessern möchte, werden die Auswirkungen über diese Art von Geschäften weit hinaus gehen. Überall da, wo gekaufte Produkte als Teile gemäß ihrem Verwendungszweck in andere Produkte eingebaut werden (neben der Bauindustrie betrifft dies vor allem auch die Automobil- und Maschinenbauindustrie), haften die Verkäufer dieser Produkte verschuldensunabhängig für die Aus- und Einbaukosten und können entsprechende Aufwendungen ihrerseits von ihren Vorlieferanten ersetzt verlangen.
Wie mit dem Kostenrisiko für Hersteller und Händler umgegangen und welche Auswirkungen dies haben wird, ist noch nicht abzusehen. So führt auch das BMJV unter „F. Weitere Kosten″ aus:
„Eine Abschätzung der möglichen Preissteigerung der Verkaufspreise aus einer Überwälzung von Kosten einer Versicherung, die das aus § 439 Absatz 3 BGB-Entwurf geschaffene Risiko für Hersteller, Lieferanten und Endverkäufer abdecken soll, ist nicht möglich.″