Am 20.03.2015 wird die Sonne über Deutschland aufgrund einer Sonnenfinsternis bis zu 82 Prozent bedeckt sein. Doch was bedeutet das für die Stromnetze?
Am 20. März 2015 wird die Sonne über Deutschland aufgrund einer partiellen Sonnenfinsternis bis zu 82 Prozent bedeckt sein. Auf das Ereignis freuen sich professionelle Sonnenbeobachter und Amateure. Doch was bedeutet die Sonnenfinsternis für die Stromnetze?
Für Stromnetzbetreiber ist die partielle Sonnenfinsternis eine Herausforderung. Denn im Verlauf des Ereignisses wird die Einspeisung aus Photovoltaik-Anlagen „einknicken″. Wie stark die installierte Photovoltaik-Leistung von mittlerweile rund 39.000 MW innerhalb kürzester Zeit zunächst zurückgehen und dann wieder ansteigen wird, hängt vom Wetter ab. Die Marktakteure haben sich auf dieses Ereignis sorgfältig vorbereitet. Doch was passiert, wenn diese Vorbereitungen nicht ausreichen?
Übertragungsnetzbetreiber stellen Stromversorgung sicher
Nach § 13 EnWG haben die Übertragungsnetzbetreiber für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu sorgen. Dies bedeutet, dass grundsätzlich jeder den von ihm benötigten Strom geliefert bekommt. Dies gilt auch dann, wenn derjenige Strom, der von dem eigenen Stromlieferant eingekauft wurde, nicht erzeugt wird, z.B. weil keine Sonne scheint. Die Übertragungsnetzbetreiber stellen diese Lieferungen sicher, indem sie im Rahmen ihrer Systemverantwortung in erster Linie netzbezogene Maßnahmen wie z.B. Netzschaltungen und nachrangig marktbezogene Maßnahmen wie z.B. den Einsatz von Regelenergie oder die Abschaltung von kontrahierten abschaltbaren Lasten vornehmen.
Sind diese Maßnahmen ausgeschöpft, sind die Übertragungsnetzbetreiber unter Einbeziehung der Verteilernetzbetreiber als ultima ratio dazu berechtigt, sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen anzupassen bzw. die entsprechende Anpassung zu verlangen. Dies kann im Ernstfall bedeuten, dass die Versorgung von bestimmen Verbrauchern unterbrochen wird.
Schadensersatz im Fall der Nichtbelieferung?
Nach § 13 Abs. 4 EnWG ruhen bei einer Anpassung alle hiervon betroffenen Leistungspflichten. Beispielsweise können die Leistungspflichten des Netzbetreibers aus den Anschluss- und Netznutzungsverträgen sowie die Leistungspflichten des Lieferanten aus dem Stromliefervertrag ruhen. Ein Schadensersatz wegen Nichtbelieferung kommt dann nicht in Frage. In Betracht kommt nur Schadensersatz wegen der Verletzung von Nebenpflichten und aus unerlaubter Handlung. § 13 Abs. 4 EnWG regelt zudem, dass im Fall von Anpassungsmaßnahmen die Haftung für Vermögensschäden ausgeschlossen ist. Die Haftung für die Verletzung von Personen und die Beschädigung von Sachen bleibt hiervon unberührt. Schließlich kommen Haftungsbeschränkungen aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen und aus Vertrag in Betracht.
Neben den Übertragungsnetzbetreibern sind im Ergebnis auch die Stromlieferanten in der Pflicht, zur Versorgungssicherheit beizutragen. Denn die Stromlieferanten müssen dafür sorgen, dass derjenige Strom, den ihre Kunden benötigen, z.B. aufgrund entsprechender Verträge mit den Erzeugern, auch zur Verfügung steht.
Die Strommengen werden bilanziell viertelstündlich erfasst. Die Stromlieferanten müssen im Fall einer (partiellen) Sonnenfinsternis also dafür sorgen, dass sie solchen Strom einkaufen, der in den von der (partiellen) Sonnenfinsternis betroffenen Viertelstunden ihren Kunden auch tatsächlich zur Verfügung steht. Die Erfassung der eingekauften und der von den Kunden verbrauchten Strommengen erfolgt im Rahmen sog. Bilanzkreise, die wie Konten bei der Bank geführt werden. Ist der Bilanzkreis unausgeglichen, weil die Kunden eines Stromlieferanten mehr Strom verbraucht haben als dieser geliefert bekommen hat (Bilanzkreisunterdeckung), drohen hohe Zahlungen an den Übertragungsnetzbetreiber für die deswegen eingesetzte Regelleistung.
Offene Fragen
Ungeklärt ist bisher, ob Stromlieferanten überhaupt und wenn ja welchem Personenkreis gegenüber wegen einer Bilanzkreisunterdeckung haften, wenn sie einzeln oder kumuliert mit Bilanzkreisunterdeckungen anderer Stromlieferanten die Übertragungsnetzbetreiber zu extremen Maßnahmen wie der „Abschaltung″ einzelner Verbraucher zwingen. Eine vertragliche Haftung der Stromlieferanten kommt jedenfalls nur bezüglich der eigenen Kunden in Betracht.
Ungeklärt ist bisher auch, in welchem Umfang Übertragungsnetzbetreiber mit einem Fehlverhalten von Stromlieferanten rechnen müssen. Dies führt zu der Frage, in welchen Konstellationen die Notfallmaßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber zwar durchgeführt werden können, aber die Suspendierung der Leistungspflichten und die Haftungsprivilegierung des § 13 Abs. 4 EnWG nicht greifen.
Die nächste partielle Sonnenfinsternis wird 2021 stattfinden. Ob bis dahin die aufgeworfenen Fragen geklärt sein werden, bleibt abzuwarten. Es ist damit zu rechnen, dass die Netzbetreiber die partielle Sonnenfinsternis am 20. März 2015 im Griff haben werden und wir alle nach der Beobachtung des Schauspiels beruhigt an den Schreibtisch zurückkehren können.