26. Juni 2024
Dauertestamentsvollstreckung Kommanditanteil
Corporate / M&A

BGH zur Dauertestamentsvollstreckung am Kommanditanteil

Mehr Rechtssicherheit: Trotz Einheitlichkeit der Mitgliedschaft kann ein Kommanditist einen weiteren Kommanditanteil unter Dauertestamentsvollstreckung erben.

Bei Gestaltung und Umsetzung der Nachfolgeplanung von Unternehmerfamilien stellte sich zur Vererbung von Kommanditanteilen bislang regelmäßig die Frage, ob einem Mitgesellschafter* ein Kommanditanteil mit der Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung vererbt werden kann. Hierzu bestand bis zur Entscheidung des BGH (Beschluss v. 12. März 2024 – II ZB 4/23) Unsicherheit.

Hintergrund: Die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft in Personengesellschaften 

Grund für die Unsicherheit war die Struktur der Personengesellschaft und der für Personengesellschaften geltenden Grundsatz der „Einheitlichkeit der Mitgliedschaft“. Demnach kann jeder Gesellschafter nur einen „Anteil“ halten, der an seine Person geknüpft und durch die Höhe der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen näher definiert ist. Es kann aber, anders als bei der Kapitalgesellschaft (GmbH, AG), nicht eine Person mehrere Anteile oder Mitgliedschaften innehaben. Erwirbt also der Gesellschafter einer Personengesellschaft einen weiteren Anteil hinzu, vereinigen sich grundsätzlich der ursprüngliche und der neu erworbene Anteil zu einem einheitlichen Anteil mit entsprechend höherem Beteiligungswert. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gesellschafter den weiteren Anteil entgeltlich oder unentgeltlich aufgrund eines Geschäfts unter Lebenden oder von Todes wegen (durch Erbschaft oder Vermächtnis) erwirbt. 

Aus der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft folgt auch, dass die Stimmrechte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft grundsätzlich nur einheitlich ausgeübt werden können. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Stimmrechte nicht nach Köpfen, sondern nach den Beteiligungsverhältnissen richten und damit ein Gesellschafter mehr als eine Stimme hat. 

Erbte ein Gesellschafter also zusätzlich zu seiner Beteiligung einen Anteil, der mit einer Dauertestamentsvollstreckung belastet ist, stellte sich die Frage, ob und wie sich die Testamentsvollstreckung an dem ererbten Teil der Beteiligung umsetzen lässt. Vereinigen sich die bisherige und die neue Beteiligung unter Aufgabe der Dauertestamentsvollstreckung? Erstreckt sich die Dauertestamentsvollstreckung möglicherweise auf die bereits vorhandene Beteiligung des Erwerbers? Oder kommt es trotz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft zu einer Aufspaltung der Gesellschafterrechte, so dass ein Teil der Mitgliedschaftsrechte durch den Testamentsvollstrecker und der andere Teil durch den Gesellschafter selbst auszuüben ist? Die gleichen Fragen stellten sich in dem umgekehrten Fall, dass der Erbe oder Vermächtnisnehmer eines der Dauertestamentsvollstreckung unterliegenden Kommanditanteils einen weiteren Kommanditanteil hinzuerwerben wollte, der nicht der Testamentsvollstreckung unterliegt und der ihm damit unbeschränkte Mitgliedschaftsrechte vermittelte. 

Bisher in der Praxis nur Behelfslösungen zur Umsetzung der Testamentsvollstreckung

Angesichts der dargelegten Rechtsunsicherheiten bediente sich die anwaltliche Gestaltungspraxis bislang verschiedener Hilfskonstrukte, um den Willen des Erblassers umsetzen zu können. 

Teilweise wurde durch eine Vereinbarung der Gesellschafter mit dem Testamentsvollstrecker eine Aufspaltung der Beteiligung zur Abbildung der Testamentsvollstreckung vertraglich fingiert. Mit anderen Worten einigten sich alle Beteiligten darauf, dass der nicht mit der Testamentsvollstreckung belastete Teil der Mitgliedschaft und der mit der Testamentsvollstreckung belastete Teil wie zwei separate Beteiligungen behandelt werden. Eine solche Regelung war und ist aber nur mit Zustimmung aller Gesellschafter, des Erben und des Testamentsvollstreckers möglich. 

Um dem Problem Herr zu werden, wollten andere den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Teil der Beteiligung für die Dauer der Testamentsvollstreckung vom Erben auf den Testamentsvollstrecker übertragen (sog. Treuhandlösung). Mit Ende der Testamentsvollstreckung war der Testamentsvollstrecker verpflichtet, die Beteiligung auf den Erben zurückzuübertragen.

Der Beschluss des BGH: Sondervermögen trotz Einheitlichkeit der Mitgliedschaft 

Mit seinem Beschluss vom 12. März 2024 gab der BGH Antwort auf diese lang diskutierte Frage in der Nachfolgeplanung der Gesellschafter von Personengesellschaften und bringt so mehr Rechtssicherheit zur Dauertestamentsvollstreckung am Kommanditanteil. 

Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass drei Kommanditisten (Kläger und zwei Beklagte) über die Gültigkeit von Gesellschafterbeschlüssen bei einer GmbH & Co. KG stritten. Einer der beklagten Kommanditisten, die Beklagte zu 2, war jedoch während des laufenden Verfahrens verstorben und von dem Kläger beerbt worden. Über ihren Kommanditanteil hatte die verstorbene Beklagte Dauertestamentsvollstreckung (§ 2209 BGB) angeordnet. Nach ihrem Tod stellte sich die Frage, ob der Prozess fortgeführt werden könne, weil der Kommanditanteil des Klägers und der Kommanditanteil der verstorbenen beklagten Kommanditistin zusammengefallen sein könnten und ein und dieselbe Person nicht gleichzeitig Kläger und Beklagter im selben Rechtsstreit sein kann. 

Der BGH entschied nun, dass der einer Testamentsvollstreckung unterliegende Kommanditanteil als abspaltbares Sondervermögen anzusehen ist. Ein im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangener Kommanditanteil unterliege daher auch dann der Dauertestamentsvollstreckung, wenn der Erbe bereits vorher Gesellschafter war. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft stehe dem nicht entgegen, weil sich der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil angesichts der materiell-rechtlichen Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers über die im Gesellschaftsanteil verkörperten Rechte nicht uneingeschränkt mit einem bereits zuvor gehaltenen Gesellschaftsanteil des Erben vereinigt. Da dementsprechend alle Verwaltungs- und Vermögensrechte betreffend den vererbten Kommanditanteil von dem Testamentsvollstrecker ausgeübt werden, sei der Testamentsvollstrecker auch prozessführungsbefugt. So konnte der Testamentsvollstrecker den Prozess für die verstorbene Beklagte fortführen.

Damit liegt die Entscheidung des BGH auch auf Linie mit der im Schrifttum bislang überwiegend vertretenen Auffassung zu den Wirkungen der Dauertestamentsvollstreckung über einen Kommanditanteil.

Erleichterung für die Gestaltungspraxis bei Nachfolgeplanung mit Testamentsvollstreckung

Für die Gestaltungspraxis ist die Entscheidung erfreulich, da sie für den Hinzuerwerb eines mit Testamentsvollstreckung belasteten Kommanditanteils durch einen Mitgesellschafter-Erben und Mitgesellschafter-Vermächtnisnehmer Rechtssicherheit bringt.

Auch der umgekehrte Fall, in dem ein Mitgesellschafter-Erbe, dessen Kommanditanteil unter Testamentsvollstreckung steht, einen weiteren Anteil hinzuerwirbt, ist nun geklärt. Die bislang bemühten Behelfslösungen braucht es hier nicht mehr. Ob sich aber die Entscheidung des BGH auf andere Konstellationen, beispielsweise den Hinzuerwerb einer Gesellschaftsbeteiligung, die mit einem Nießbrauch belastet ist, übertragen lässt, bleibt unsicher. 

Der Beschluss des BGH spricht einmal mehr dafür, eine Dauertestamentsvollstreckung über einen Kommanditanteil auch im Handelsregister eintragen zu lassen, um die wirtschaftliche und rechtliche Trennung im Rechtsverkehr sichtbar zu machen. Auch nach der Entscheidung des BGH gilt, dass letztwillige Verfügungen und Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften optimal aufeinander abgestimmt sein müssen, damit ein Testamentsvollstrecker die Gesellschafterrechte aus einer seiner Verwaltung unterliegendem Personengesellschaftsbeteiligung wahrnehmen und die Nachfolgeplanung effektiv, praxistauglich und vor allem dem Erblasserwillen entsprechend umgesetzt werden kann. 

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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