Viele Unternehmer haben ihr Geschäft in der Rechtsform einer englischen „Limited“ organisiert. Das Brexit-Referendum wirft nun neue Fragen auf.
Gründung innerhalb weniger Tage, kein Mindestkapital und trotzdem volle Haftungsbeschränkung – diese Kombination begeisterte viele Unternehmer. Und so organisierten sie ihr deutsches Geschäft in der Rechtsform oder unter Beteiligung einer englischen „private company limited by shares″ (kurz Limited oder Ltd.).
Nach dem Brexit-Referendum stellt sich nun die Frage, welche Folgen der Austritt Großbritanniens aus der EU für sie und ihr Geschäft haben wird.
Geschäftstätigkeit einer Limited in Deutschland
Wo und wie genau ist eine Limited, die nur in Deutschland tätig ist, rechtlich zu verorten? Aufgrund des englischen Gesellschaftsrechts muss auch eine Limited, die nur in Deutschland tätig ist, ihren Satzungssitz („registered office″) in Großbritannien (also England, Wales oder Schottland) haben. Am Satzungssitz müssen bestimmte Dokumente und Informationen zur Gesellschaft vorgehalten werden und die Zustellung von an die Limited gerichteten Dokumenten möglich sein. Hierfür genügt eine Briefkastenadresse der Limited, die häufig von einem Rechtsanwalt oder einer Servicegesellschaft verwaltet wird.
Spielt sich die Geschäftstätigkeit der Limited in Deutschland ab, so wird in der Regel auch die Geschäftsführung in Deutschland ansässig sein und hier die wesentlichen Entscheidungen fällen. Damit sind der Verwaltungssitz und der Ort der Geschäftsleitung in Deutschland.
Im deutschen Handelsregister kann die Limited nicht als solche eingetragen werden, dafür ist allein das Companies House als Gesellschaftsregister nach dem Gründungsstatut zuständig. Die Limited mit Verwaltungssitz und ausschließlicher Geschäftstätigkeit in Deutschland ist stattdessen nach deutschem Recht als selbständige Zweigniederlassung einer englischen Limited zu qualifizieren. Diese kann als Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister eingetragen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Eintragung zwingend.
Im deutschen Rechtsverkehr ist die Limited grundsätzlich wie eine GmbH zu behandeln. Der deutsche Unternehmer steht also bildlich gesprochen mit einem Bein in Deutschland und mit dem anderen in Großbritannien.
Folgen des endgültigen Brexit für die Limited
Das Schicksal der englischen Limiteds in Deutschland hängt davon ab, worauf sich die EU und Großbritannien in den Austrittsverhandlungen einigen. Grundsätzlich sind derzeit alle Extreme und viele Zwischentöne denkbar. Großbritannien könnte im Wege bilateraler Verträge mit der EU einen Zustand herstellen, der dem heutigen so vergleichbar ist, dass für deutsche Unternehmer kein Handlungsbedarf besteht. Am anderen Ende der Skala steht die Behandlung Großbritanniens als Drittstaat in einer Reihe mit Ägypten, Bolivien, Südafrika oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die Behandlung als Drittstaat hätte gravierende Folgen, weshalb wohl eine gewisse Übergangsfrist gewährt würde – spätestens innerhalb dieser Frist müssten deutsche Unternehmer dringend aktiv werden!
Unbeschränkte Haftung der Limited
Mit einem Austritt würde die Diskussion über Sitz- und Gründungstheorie schlagartig wieder an Bedeutung gewinnen. Kommt es künftig allein auf das nationale Gesellschaftsrecht des Verwaltungssitzstaates Deutschland an, werden alle Gesellschaften, die die Anforderungen an eine Kapitalgesellschaft deutscher Ausprägung nicht erfüllen, zu Personengesellschaften umqualifiziert.
Die Limited wird, weil sie ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, als rechts- und parteifähige Personengesellschaft behandelt. Bei einer Ein-Mann-Limited wird ihr Alleingesellschafter als Einzelkaufmann qualifiziert.
Diese Einordnung hat gravierende Folgen für die Haftung: die Gesellschafter der Limited können sich nicht mehr hinter dem „corporate veil″ verstecken. Sie haften selbst, unmittelbar und unbeschränkt wie in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einer offenen Handelsgesellschaft oder eben als Einzelkaufmann. Es passiert also genau das, was sie durch die Gründung einer ausländischen Kapitalgesellschaft vermeiden wollten!
Die Behandlung als Personengesellschaft respektive Einzelkaufmann würde zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Auf diese könnte sich der deutsche Unternehmer nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU aber nicht mehr berufen.
Gleichung mit vielen Unbekannten
Neben der grundsätzlichen Frage, für welchen Weg aus und mit der EU sich Großbritannien entscheidet, ist auch offen, wie viele der europarechtlich bedingten Gesetzesänderungen rückgängig gemacht werden. Davon könnten auch der Companies Act 2006 mit seinen Ergänzungen und flankierende Regelungen betroffen sein. Das vielen deutschen Unternehmern ohnehin schon fremde Recht des Gründungsstaats könnte sich also perspektivisch noch weiter vom vertrauten nationalen Recht entfernen.
Unabhängig davon ist auch die Behandlung nach deutschem Recht für den deutschen Unternehmer keineswegs frei von Rechtsunsicherheit. Denn ohne entsprechende gesellschaftsrechtliche Umwandlung bleibt die Limited ein fremdes Gebilde im deutschen Recht.
Empfehlung für Ihre Limited
Die Empfehlung für die, die noch abwarten wollen, muss daher lauten, sich frühzeitig über die individuellen Auswirkungen des Brexit zu informieren. Es gilt, Vorhaben zur Änderung der relevanten Gesetze im Blick zu haben und sich für jedes Szenario einen Plan zurechtzulegen. Dieser muss im Ernstfall schnell und vor allem rechtzeitig umgesetzt werden können.
Allen anderen ist die zeitnahe Rückkehr zu den nationalen Rechtsformen der GmbH, AG oder – wenn das Mindestkapital dem Unternehmer Sorgen bereitet – zur UG (haftungsbeschränkt) nahezulegen. Mittel der Wahl wird je nach den Umständen des Einzelfalls die grenzüberschreitende (Hinaus-)Verschmelzung, die formwechselnde Sitzverlegung oder die Umwandlung in eine SE mit anschließender Sitzverlegung sein.
Um im Bild zu bleiben: Der Sprung nach Deutschland vermeidet den unweigerlich drohenden Spagat zwischen Großbritannien und Deutschland. Letzterer könnte sehr schmerzhaft werden, wenn die europarechtlichen Vorschriften Deutschland und Großbritannien nicht mehr zusammenhalten.
Weitere rechtliche Aspekte sowie eine „Checkliste Brexit″ finden Sie in unserem internationalen Angebot Law-Now. Hier im Blog gibt es weitere Informationen zum Datenschutz, zu den Folgen für die europäischen Schutzrechte des geistigen Eigentums, Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und was bei einer Sitzverlegung von Unternehmen zu beachten ist.