18. Juni 2024
BImSchG Genehmigungsverfahren
Energiewirtschaft & Klimaschutz

BImSchG-Novelle zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

Auf eine schnellere Genehmigung und Umsetzung von Erneuerbaren Energien und bestimmten Industrie-Vorhaben zielen die aktuellen Neuregelungen des BImSchG ab.

Mit der am 14. Juni 2024 nun auch im Bundesrat verabschiedeten Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) kommen gewisse Erleichterungen auch für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren – insbesondere für Windenergieanlagen, aber nicht darauf beschränkt. Denn die Genehmigungsverfahren dauern trotz der zahlreichen, wichtigen Weichenstellungen der letzten Monate zur Erleichterung der Energie- und Klimawende und Sicherung der Energieversorgung zu lang – insbesondere auch für Industrievorhaben außerhalb der bisherigen Beschleunigungsbereiche der EE-Erzeugung, Energiespeicherung und Netzausbau. Daher ist die BImSchG-Novelle dringend erforderlich. 

Das am 6. Juni 2024 im Bundestag und nun auch im Bundesrat beschlossene „Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ (BT-Drs. 20/7502BT-Drs. 20/11657) sieht verschiedene Maßnahmen vor, um immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zu entschlacken und zügiger voranzubringen als bisher. Im Vordergrund stehen hierbei eine Verkürzung von behördlichen Rückmelde- und Entscheidungsfristen, die Möglichkeit zum Einsatz eines Projektmanagers, eine stärkere Digitalisierung des Verfahrens und die vereinfachte Möglichkeit, vor der Genehmigung mit Vorhaben zu beginnen, sowie besondere Erleichterungen für die Zulassung von EE-Anlagen. 

Erleichterungen für einen vorzeitigen Beginn in bestimmten Fällen

In der juristischen Diskussion und öffentlichen Wahrnehmung der BImSchG-Novelle weniger beachtet, praktisch aber für eine beschleunigte Umsetzung von Vorhaben von besonderer Bedeutung sind die Erleichterungen eines sog. vorzeitigen Beginns (§ 8a BImSchG). Schon bisher bestand die Möglichkeit, bereits vor Erteilung der Genehmigung mit der Umsetzung des Vorhabens, d.h. mit der Errichtung, teilweise auch mit dem Betrieb der Anlage, zu beginnen. Dies setzt bisher eine positive behördliche Genehmigungsprognose voraus. Hierzu müssen grundsätzlich die wesentlichen Antragsunterlagen und die Stellungnahmen der zu beteiligenden Fachbehörden vorliegen sowie der Ablauf der Einwendungsfrist für die Öffentlichkeitsbeteiligung abgewartet werden. 

Bei Vorhaben an einem bereits bestehenden Anlagenstandort sowie bei Änderungsanträgen zu bestehenden Genehmigungen ist künftig ein vorzeitiger Beginn auch ohne Erfüllung dieser Voraussetzungen, also zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt möglich (§ 8a Abs. 1 Satz 2 und 3 BImSchG n.F.). Der Vorhabenträger muss in diesen Fällen nur noch darlegen, dass 

  • ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an dem vorzeitigen Beginn besteht, 
  • sich der Antragsteller zur Wiederherstellung des früheren Zustands sowie zum Ersatz von Schäden für den Fall verpflichtet, dass das Vorhaben letztlich nicht genehmigt wird, und
  • relevante öffentlich-rechtliche Vorschriften sowie Belange des Arbeitsschutzes nicht entgegenstehen.  

Auf die positive behördliche Genehmigungsprognose kommt es hingegen in den genannten Fällen nicht mehr an. 

Zwar trägt der Vorhabenträger bei vorzeitigem (Bau-)Beginn das Risiko, dass das Vorhaben im Ergebnis nicht genehmigt wird und dann zurückgebaut werden muss. Gerade in Fällen, in denen dieses Risiko überschaubar ist, dürfte die Neuregelung aber in der Praxis eine schnellere Umsetzung des Vorhabens als bisher ermöglichen. Ein solcher Fall wäre beispielweise denkbar, wenn eine Windenergieanlage genehmigt wurde, sich während oder nach dem Genehmigungsverfahren aber herausstellt, dass ein anderer als der genehmigte Windenergieanlagentyp mit etwas anderen Parametern und Auswirkungen errichtet werden soll, oder wenn in einem bestehenden Gebäude ein neues, mit Biogas befeuertes und mit modernen Abgaseinrichtungen ausgestattetes BHKW als Ersatz für ein in die Jahre gekommenes Gaskraftwerk errichtet werden soll. Auch diese Vorhaben müssen zwar alle inhaltlichen, insbesondere umweltrechtlichen Vorgaben ohne Abstriche erfüllen. Allerdings kann im Wege des § 8a BImSchG n.F. im Einzelfall eine echte Beschleunigung erreicht werden, wenn zwar noch einzelne Verfahrensschritte oder Unterlagen bis zur Genehmigung fehlen, aber eine Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht ernsthaft infrage steht. 

Verfahrensbeschleunigung durch verkürzte Fristen und Bürokratieabbau 

Über den Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung muss die Behörde nach schon bislang geltender Rechtslage grundsätzlich innerhalb von sieben Monaten – bei vereinfachten Verfahren innerhalb von drei Monaten –entscheiden (§ 10 Abs. 6a Satz 1 BImSchG). Diese Frist konnte die Genehmigungsbehörde bislang praktisch unbeschränkt oft verlängern. Mit der jetzigen Gesetzesänderung ist eine Fristverlängerung nur noch einmalig zulässig, sofern der Antragsteller nicht einer weiteren Verlängerung zustimmt (§ 10 Abs. 6a Satz 2, 4 BImSchG). 

Die Genehmigungsfrist des § 10 Abs. 6a Satz 1 BImSchG beginnt zudem künftig strikt mit Ablauf eines Monats ab Antragseingang bzw. mit Ablauf der (einmalig) verlängerten Frist oder mit dem Eingang der erstmals von der Behörde nachgeforderten Unterlagen, sofern der Vorhabenträger einer anderen Frist bzw. der weiteren Nachforderung von Unterlagen nicht zugestimmt hat (§ 7 Abs. 1 Satz 4 Verordnung über das Genehmigungsverfahren – 9. BImSchV). Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine Fristüberschreitung auch zukünftig sanktionslos bleibt, insbesondere keine Genehmigungsfiktion auslöst. Zudem lässt sich eine Genehmigung weiterhin nur erreichen, wenn auf Grundlage der Unterlagen die inhaltliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens dargelegt ist. Daher wird ein Vorhabenträger der Genehmigungsbehörde kaum die Nachforderung von Unterlagen verweigern oder auch eine Fristverlängerung versagen können, wenn er damit die Ablehnung der beantragten Genehmigung provoziert. 

Wichtiger dürfte sein, dass die Behörde die Genehmigung erteilen kann, auch wenn Unterlagen, die für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit von untergeordneter Bedeutung sind, noch fehlen oder überarbeitet werden müssen. Diese Unterlagen können bis zum Beginn der Errichtung oder der Inbetriebnahme der Anlage nachgereicht werden. Diese Möglichkeit gab es an sich schon bisher, geregelt in § 7 Abs. 1 Satz 5 der 9. BImSchV. Aber die Möglichkeit mag mit der gesetzlichen Neuregelung nun stärker in den Vordergrund treten. Es wäre gleichwohl aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung zu begrüßen, wenn durch nachgeordnete Regelungen – soweit dies möglich ist – konkretisiert wird, welche Unterlagen in welchen Fällen als untergeordnet einzustufen sind. 

Weitere Erleichterungen für Windenergieanlagen

Für Windenergieanlagen sieht die Novelle weitere praxisrelevante Erleichterungen vor. So ermöglicht der neu eingefügte § 9 Abs. 1a BImSchG die Erteilung eines Vorbescheids, also einer verbindlichen behördlichen Entscheidung über einzelne Frage der Vorhabenzulassung, unter Verzicht auf eine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung in Bezug auf das Gesamtvorhaben. Dies dürfte eine bessere Abschichtung der Risiken bei der Entscheidung von Vorhabenträgern ermöglichen, ob sie ein Windenergievorhaben weiterverfolgen und die für ein Genehmigungsverfahren erforderlichen Investitionen aufwenden. Allerdings ist in der Praxis abzuwägen, ob wegen der häufig vorzufindenden Kapazitätsengpässe der Behörden ein solches „zusätzliches“ Verfahren vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren sinnvoll ist oder sich die eigentliche Genehmigung nicht durch einen Antrag auf Vorbescheid zusätzlich verzögert und verteuert. 

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