4. Juli 2024
Transformation Arbeitsrecht
Chancen durch Transformation

Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht 

Unsere Blog-Serie führt durch die verschiedenen Phasen einer Umstrukturierung und beantwortet damit verbundene Fragen – auch abseits juristischer Themen.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen, Entwicklungen und Erwartungen, die fortschreitende Digitalisierung ebenso wie Anforderungen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit stellen Unternehmen vor stets neue Herausforderungen. Getreu dem Leitsatz „Stillstand ist Rückschritt“ gilt es, die unternehmensinternen Prozesse sowie die Ausrichtung am Markt immer wieder neu zu überdenken und an die geänderten Gegebenheiten anzupassen. Transformationsprozesse sind unverzichtbar, um die unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und dadurch Arbeitsplätze zu erhalten. Welche Fallstricke dabei aus Arbeitgebersicht zu beachten sind, wird in der aktuellen Blog-Serie „Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht“ näher beleuchtet.

„Spielarten“ der Umstrukturierung / Transformation

Auch wenn vor allem die Insolvenzen namhafter Kaufhausketten und anderer Firmen in den Schlagzeilen der Tageszeitungen erscheinen, sind Transformationsprozesse keineswegs auf derartige Szenarien beschränkt. Die Palette der zur Verfügung stehenden Transformations- bzw. Umstrukturierungsmaßnahmen ist groß und hängt schlussendlich von den unternehmenseigenen Bedürfnissen ab. Neben strukturellen Veränderungen auf Unternehmens- und / oder Betriebsebene kommt beispielsweise auch die aktuell unter dem Schlagwort „Re-“ bzw. „Upskilling“ diskutierte gezielte Fort- und Weiterbildung der eigenen Belegschaft als geeignetes Instrument in Betracht.

Umstrukturierungen bewegen sich an der Schnittstelle verschiedener Rechtsgebiete. Betriebsverfassungsrechtlich können Maßnahmen wie die Stilllegung von Betrieben oder Betriebsteilen sowie deren Einschränkung oder Verlegung ebenso wie die Spaltung oder der Zusammenschluss von Betrieben als „Betriebsänderung“ anzusehen sein, die nur nach den gesetzlichen Vorgaben der §§ 111 ff. BetrVG umgesetzt werden darf.

Herausforderungen für Arbeitgeber

Sämtlichen Konstellationen ist immanent, dass getroffene Entscheidungen nicht „am grünen Tisch“ verbleiben, sondern Änderungen auf betrieblicher oder unternehmerischer Ebene z.T. weitreichende Konsequenzen für die Belegschaft nach sich ziehen können. Dies gilt insbesondere aber nicht nur in den Fällen, in denen die geplante Umstrukturierung den Ausspruch von Kündigungen fordert. Für Arbeitgeber* bedeutet das, im Spannungsfeld zwischen Aufrechterhaltung und Optimierung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit auf der einen und den Belangen der Mitarbeiter auf der anderen Seite Balance zu finden und dabei die komplexen rechtlichen Anforderungen an die geplanten Maßnahmen im Blick zu behalten.

Solide Planung ist der Grundstein

Unerlässlich für einen erfolgreichen Transformationsprozess ist eine solide und umfassende Planung des gesamten Projekts. Ausgangspunkt ist hierbei die Festlegung, wie das Unternehmen bzw. der Konzern aus Sicht des Arbeitgebers zukunftssicher ausgerichtet werden soll. Die entsprechende unternehmerische Entscheidung ist aufgrund der in Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG verankerten unternehmerischen Freiheit verfassungsrechtlich geschützt und somit gerichtlich nur eingeschränkt im Rahmen einer Willkürkontrolle überprüfbar (vgl. hierzu zuletzt BAG, Urteil v. 28. Februar 2023 – 2 AZR 227/22). Auf deren Basis sind sodann die weiteren Schritte und Maßnahmen zur Umsetzung des unternehmerischen Zielbilds unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, finanzieller, aber auch rechtlicher Aspekte auszuarbeiten.

Frühzeitige Vorbereitung der weiteren Maßnahmen

Essenzieller Bestandteil der strategischen Planung ist außerdem, die herausgearbeiteten Maßnahmen schon frühzeitig von vorne bis hinten zu durchdenken, um böse Überraschungen zu vermeiden. Ist die geplante Umstrukturierung etwa mit der Entlassung von Arbeitnehmern verknüpft, kann es schon in der Planungsphase sinnvoll sein, eine Sozialauswahl durchzuspielen, um sich von Vornherein – insbesondere vor dem Einstieg in etwaig erforderliche Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern – über die personellen Konsequenzen der unternehmerischen Planung bewusst zu werden. Oftmals kristallisiert sich auf diese Weise noch Änderungsbedarf mit Blick auf die avisierten Umstrukturierungsmaßnahmen heraus.

Anreize zur freiwilligen Aufhebung von Arbeitsverträgen können durch ein (den weiteren Umstrukturierungsmaßnahmen vorgeschaltetes) Freiwilligenprogramm gesetzt werden. Derartige Programme sind aus Arbeitgebersicht oft nicht nur sinnvoll, um zeit- und kostenintensive Kündigungsschutzprozesse zu reduzieren oder im Idealfall komplett zu vermeiden. Aufgrund ihres auf Freiwilligkeit basierenden Charakters können sie insbesondere auch die Akzeptanz des Personalabbaus innerhalb der Belegschaft stärken und einem etwaigen Reputationsverlust in der Öffentlichkeit entgegenwirken.

Einbindung der Arbeitnehmervertreter / Interessenausgleich und Sozialplan

Der Erfolg und die Akzeptanz eines Umstrukturierungsprojekts in der Belegschaft hängen nicht zuletzt auch von der Mitwirkung und effektiven Einbindung der Arbeitnehmervertreter ab. Erfüllt die geplante Umstrukturierung die gesetzlichen Voraussetzungen an eine Betriebsänderung, sind die Schritte der Betriebsratsbeteiligung in den §§ 111 ff. BetrVG im Einzelnen vorgegeben. Demnach ist der Betriebsrat nicht nur frühzeitig über die geplanten Maßnahmen zu unterrichten, die Betriebsparteien haben vielmehr auch den Abschluss eines Interessenausgleichs zu versuchen, in dem das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ der geplanten Maßnahmen festgehalten werden. 

Etwaige wirtschaftliche Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der avisierten betriebsändernden Maßnahmen entstehen, sind durch den Abschluss eines Sozialplans, auszugleichen / abzumildern, in dem typischerweise Regelungen zur Zahlung von Abfindungen oder sonstigen Ausgleichsleistungen enthalten sind. Oftmals sehen Sozialpläne außerdem vor, dass von dem Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffene Arbeitnehmer vorübergehend in eine Transfergesellschaft wechseln können. Hierbei handelt es sich um ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das im Idealfall zur Vermittlung von Arbeitnehmern „aus Arbeit in Arbeit“ unter Vermeidung einer Zwischenphase der Arbeitslosigkeit führen soll. Hinter der Transfergesellschaft stehen dabei zumeist spezialisierte Anbieter, deren Aufgabe es ist, Arbeitnehmern durch das Angebot von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen die Suche nach einer neuen Beschäftigung zu erleichtern. Um in diesem Zusammenhang von den entsprechenden Förderungsmöglichkeiten durch die Agentur für Arbeit Gebrauch machen zu können, ist es für Arbeitgeber essenziell, die einschlägigen sozialrechtlichen Vorgaben und Voraussetzungen nach dem SGB III zu kennen.

Obgleich die Rechtsprechung den Betriebsparteien bei der Ausgestaltung von Sozialplänen Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zugesteht, müssen die im Sozialplan getroffenen Regelungen den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG genügen. Dies kann insbesondere bei der Ausgestaltung sogenannter „Kappungsgrenzen“ zur Deckelung der Sozialplanabfindung (s. hierzu BAG, Urteil v. 11. Oktober 2022 – 1 AZR 129/21) relevant werden.

Zusätzliche Voraussetzungen im Falle von Massenentlassungen

Werden die im KSchG genannten Schwellenwerte überschritten, kann eine Betriebsänderung auch (ausschließlich) durch Personalabbau begründet werden. Da es sich in diesen Fällen regelmäßig um Massenentlassungen handelt, sind bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen zusätzlich die Voraussetzungen des § 17 KSchG zu beachten. 

Das heißt für Arbeitgeber vor allem, den Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens über die in § 17 Abs. 2 KSchG genannten Eckpunkte der beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich zu informieren und mit den Arbeitnehmervertretern etwaige Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. In der Praxis wird das Konsultationsverfahren zumeist mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan verbunden.

Eine Kehrtwende zeichnet sich aktuell für die Rechtsprechung zum Thema Massenentlassungsanzeige ab, die Arbeitgeber vor etwaigen Entlassungen, d. h. insbesondere vor dem Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen bei der Agentur für Arbeit einzureichen haben. Als sicher geglaubte Grundsätze werden hier derzeit nicht zuletzt durch die Entscheidung des EuGH vom 13. Juli 2023 (C-134/22) in Zweifel gezogen. Im Fokus steht dabei die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem gänzlichen Ausbleiben oder Fehlern bei der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige ergeben.

Dass nach dem sechsten nunmehr auch der zweite Senat des BAG den EuGH zur (Vorab-)Entscheidung in diesem Zusammenhang angerufen hat (BAG, Urteil v. 1. Februar 2024 – 2 AS 22/23 [A]), illustriert, dass hier das letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist.

Lassen Sie sich bei Umstrukturierungsmaßnahmen von Legal-Tech aushelfen

Nicht selten bringen Umfang und Komplexität der geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen Stifte, Zettel und Excel-Tabellen in den Personalbüros an ihre Grenzen. Hier kann der gezielte und koordinierte Einsatz von Legal-Tech-Lösungen einen entscheidenden Vorteil bringen. Tools wie der CMS AbfindungsrechnerCMS Select oder der Restrukturierungsmanager sind auf die unternehmensseitigen Bedürfnisse bei Umstrukturierungen zugeschnitten und so konzipiert, dass sie Arbeitgeber rechtssicher und einfach während des gesamten Projektverlaufs unterstützen.

Fazit 

Die Blogserie „Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht“ gibt Einblick in wesentliche arbeitsrechtliche Aspekte einer Unternehmensumstrukturierung.

Der vorstehende Kurzüberblick zeigt – Transformationsprozesse sind vielfältig. Gleichwohl gibt es grundlegende Fragestellungen, mit denen Arbeitgeber während des Prozessverlaufs regelmäßig konfrontiert werden. In unserer Blogserie „Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht“ zeigen wir auf, worauf es in den einzelnen Phasen – von der initialen Planung bis hin zur Umsetzung – ankommt und geben Ihnen das Rüstzeug für ein erfolgreiches Projekt mit auf den Weg.

Das erwartet Sie in der Serie zur Transformation:

Dabei werden die im „Auftakt“ skizzierten Punkte anhand der folgenden Beiträge vertieft:

  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Wirtschaftliche (Vor-)Überlegungen und Möglichkeiten durch CMS Advisory
  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Strategische Planung
  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Vorgeschaltetes Freiwilligenprogramm
  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Interessenausgleich und Sozialplan
  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Massenentlassungen und die Konsultation des Betriebsrats
  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Einrichtung einer Transfergesellschaft
  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Die Massenentlassungsanzeige
  • Chancen durch Transformation: Fokus Arbeitsrecht – Die Sozialauswahl 

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Reorganisation Restrukturierung transformation Umstrukturierung