28. März 2024
Geografische Angaben Wein Spirituosen landwirtschaftliche Erzeugnisse
EU Action Plan IP

EU-Rat verabschiedet neues Gesetz zu Geografischen Angaben

Grünes Licht für Reform: EU stärkt Schutz Geografischer Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Qualitätserzeugnisse.

In den letzten drei Jahrzehnten hat die Europäische Union (EU) Qualitätsregelungen für Erzeugnisse mit erkennbaren besonderen Merkmalen eingeführt, die sog. Geografischen Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse, einschließlich Lebensmittel, sowie garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel. So werden Lebensmittel und Getränke, die eng mit ihrer geografischen Herkunft verbunden sind, durch die Einführung von Kennzeichnungen wie die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.), die geschützte geografische Angabe (g.g.A.) und die garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.) rechtlich anerkannt. 

Die EU-Qualitätsregelungen verfolgen das Ziel, die Bezeichnungen bestimmter Erzeugnisse zu schützen, um ihre einzigartigen Eigenschaften hervorzuheben. Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) definiert Geografische Angaben als Zeichen, die für Erzeugnisse verwendet werden, die einen bestimmten geografischen Ursprung haben und denen Eigenschaften oder ein Ansehen zukommen, die auf diesen Ursprung zurückzuführen sind. Diese Eigenschaften sind eng mit der traditionellen Herstellungsweise verbunden. Produkte, die für eine Geografische Angabe in Frage kommen oder bereits eine solche erhalten haben, werden in Qualitätsproduktregistern eingetragen.

Durch die Anerkennung als geistiges Eigentum gewinnen Geografische Angaben zunehmend an Bedeutung. Inzwischen gibt es in der EU mehr als 3.800 Geografische Angaben. Eine 2019 von der Europäischen Kommission veröffentlichte Studie über den wirtschaftlichen Wert von EU-Qualitätsregelungen, Geografischen Angaben und g.t.S. zeigte, dass mit ihnen versehene Erzeugnisse im Jahr 2017 einen Verkaufswert von 77 Mrd. EUR hatten, was 7 % des Verkaufswerts des gesamten europäischen Lebensmittel- und Getränkesektors entsprach. Erzeugnisse mit einer Geografischen Angabe wie z.B. Parmigiano Reggiano oder Champagner haben oft einen doppelt so hohen Verkaufswert wie vergleichbare Erzeugnisse ohne Zertifizierung. 

Grünes Licht für Stärkung landwirtschaftlicher Qualitätsprodukte

Das EU-Parlament hat am 28. Februar 2024 endgültig grünes Licht für die Verordnung über Geografische Angaben der EU für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über Qualitätsregelungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2017/1001 und (EU) Nr. 2019/787 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 gegeben. Die neue Verordnung soll den Schutz von Lebensmitteln und Erzeugern* stärken, den Erzeugern mehr Befugnisse einräumen und das Eintragungsverfahren für Geografische Angaben vereinfachen. Am 26. März 2024 hat der Rat der Europäischen Union die Verordnung förmlich angenommen. Sie wird nun unterzeichnet und anschließend im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung tritt sie in Kraft. 

Hintergrund zum Verfahren und Ziel des neuen Verordnungsvorschlags

Am 31. März 2022 nahm die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über Geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie für andere Qualitätsregelungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse an, um Mängel zu beheben, die bei einer durchgeführten Bewertung der bisherigen Regeln festgestellt wurden. 

Die Bewertung stützte sich auf einen umfassenden öffentlichen Konsultationsprozess sowie auf gezielte Konsultationen mit den EU-Ländern und den einschlägigen Organisationen der Interessenträger. Es wurde festgestellt, dass das Logo mit Geografischer Angabe den Verbrauchern in einigen EU-Ländern nicht bekannt ist und dass die Rechtsvorschriften unzureichend durchgesetzt werden, was die Wirksamkeit der Gewährleistung der Integrität der geschützten Erzeugnisse beeinträchtigen könnte. Darüber hinaus wurden Defizite im Bereich des Umweltschutzes festgestellt, die darauf hindeuten, dass die Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Produktion und Ressourcenschonung verbessert werden müssen. Ein weiterer Kritikpunkt war die Komplexität der Eintragungs- und Änderungsverfahren, die die Produzenten vor Herausforderungen stellt und möglicherweise zu Verzögerungen führen kann.

Ziel des neuen Verordnungsvorschlags war es, die Durchsetzung der Vorschriften zu stärken, um sicherzustellen, dass Produkte mit Geografischen Angaben den Standards entsprechen und die Verbraucher vor Irreführung geschützt werden. Gleichzeitig sollen Erzeugergemeinschaften dabei unterstützt werden, ihre Produkte besser zu vermarkten und sich vor unlauterem Wettbewerb zu schützen. 

Der Vorschlag enthielt auch Maßnahmen zur Eindämmung des Diebstahls und des Handels mit gefälschten Erzeugnissen über das Internet und zum Schutz der Integrität der geschützten geografischen Angaben. Durch die Anpassung der Erzeugersysteme an die Bedürfnisse und Gegebenheiten der Erzeuger in den verschiedenen Regionen der EU sollen gleiche Bedingungen und Chancen gewährleistet werden.

Darüber hinaus wurden Strategien entwickelt und umgesetzt, um traditionelle Lebensmittel in der EU zu schützen und ihren kulturellen Wert zu erhalten. Schließlich wurde versucht, die Registrierungsverfahren für Geografische Angaben zu beschleunigen, um die Effizienz zu steigern und das Verfahren für die Erzeuger einfacher und zugänglicher zu machen.

Inhalt der neuen Verordnung zu Geografischen Angaben

Der letzte Standpunkt des EU-Parlaments vom 28. Februar 2024, der in erster Lesung fast einstimmig angenommen wurde (520 Ja-Stimmen, 19 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen), sieht strengere Maßnahmen vor, um die unrechtmäßige Verwendung Geografischer Angaben durch nationale Behörden zu bekämpfen.

  • Unterbindung der illegalen Verwendung

    Zunächst werden die nationalen Behörden verpflichtet, administrative und gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen, um die unrechtmäßige Verwendung von Geografischen Angaben nicht nur offline, sondern auch online zu verhindern oder zu unterbinden. 

    Ein vom Europäischen Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) eingerichtetes Informations- und Warnsystem wird illegale Domänennamen identifizieren, damit diese deaktiviert werden können. Ziel ist es, Domainnamen, die unrechtmäßig Geografische Angaben verwenden, zu deaktivieren oder durch Geoblocking zu sperren.

  • Schutz von Geografischen Angaben als Zutaten

    Die neuen Bestimmungen sehen weiterhin vor, dass eine Geografische Angabe, die ein als Zutat verwendetes Erzeugnis bezeichnet, nur dann im Namen, auf der Etikettierung oder in der Werbung für das betreffende Verarbeitungserzeugnis erscheinen darf, wenn die geografische Zutat in ausreichender Menge zugesetzt wird, um dem Verarbeitungserzeugnis ein wesentliches Merkmal zu verleihen, und wenn kein anderes, mit der Geografischen Angabe vergleichbares Erzeugnis verwendet wird. Der prozentuale Anteil der Zutat muss auf dem Etikett angegeben werden.

  • Mehr Rechte für die Erzeuger

    Die Erzeuger von mit Geografischen Angaben versehenen Erzeugnissen können nun Maßnahmen ergreifen oder sich gegen Handelspraktiken wehren, die das Image und den Wert ihrer Erzeugnisse beeinträchtigen, einschließlich abwertender Vermarktungspraktiken und Preissenkungen. Um die Transparenz für die Verbraucher zu erhöhen, wurde sichergestellt, dass der Name des Erzeugers auf der Produktverpackung im gleichen Sichtfeld wie die Geografische Angabe selbst erscheint.

  • Stärkung der Rolle von Erzeugervereinigungen

    Um die Rolle der Erzeugervereinigungen zu stärken, haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Erzeugervereinigungen als sog. „anerkannte Erzeugervereinigungen“ mit ausschließlichen Rechten zu benennen, die im Namen aller Erzeuger des mit einer Geografischen Angabe versehenen Produkts ausgeübt werden können. Darüber hinaus werden den Erzeugervereinigungen mehr Befugnisse und Verantwortlichkeiten übertragen, insbesondere bei der Verwaltung ihrer Geografischen Angaben. Dazu gehört auch die Befugnis, ihre Mitglieder in Netzwerken zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zu vertreten.

  • Vereinfachtes Eintragungsverfahren

    Das Eintragungsverfahren für Geografische Angaben wird vereinfacht und eine feste Frist von sechs Monaten für die Prüfung neuer Geografischer Angaben festgelegt.

  • EU-Kommission als zentrale Kontrollinstanz

    Nach der neuen Verordnung bleibt die Kommission die einzige Kontrollinstanz für das System der Geografischen Angaben. Das EUIPO wird wichtige beratende Unterstützung in administrativen Fragen leisten und über ein EU-Online-Register zum Schutz und zur Förderung Geografischer Angaben beitragen.

Verordnung als Wegweiser für transparentere Agrarpolitik in der EU

Die neue Verordnung ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer gerechteren und transparenteren Agrarpolitik in der EU. Laut Berichterstatter und Mitglied des EU-Parlaments, Paolo De Castro, werde die Rolle der Erzeugergemeinschaften und der Schutz der Geografischen Angaben gestärkt, was für Nachhaltigkeit und Transparenz gegenüber den Verbrauchern sorge. Nach den Krisen durch die Pandemie und die russische Invasion in der Ukraine sowie dem starken Anstieg der Erzeugerpreise sei die Verordnung endlich eine gute Nachricht für die europäischen Landwirte. 

Auch vor deutschen Gerichten sind Geographische Angaben immer wieder ein wichtiges Thema, wie das aktuelle Verfahren „Rostbratwürstchen“ vor dem Landgericht München I (Az. 33 O 4023/23) zeigt. Angesichts des bevorstehenden Inkrafttretens der Verordnung bleibt abzuwarten, wie sich diese Stärkung des Schutzes Geografischer Angaben auf die weitere Rechtsentwicklung auswirken wird.

Mit dem EU Action Plan IP möchte die EU die Rechte des geistigen Eigentums auch in Zukunft gesichert wissen. In unserer Blog-Serie „EU Action Plan IP″ gehen wir auf die einzelnen Inhalte, wie z.B. die neue Verordnung über den Schutz handwerklicher und industrieller Erzeugnisse auf EU-Ebene, ein.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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